Mathematikunterricht und Informatik —
Horst Hischer, Braunschweig
· Hans-Georg Weigand, Gießen (Leitartikel zu einem Themenheft von LOG IN). In: LOG IN 18(1998)2, 10–18.
1 Vorbemerkungen
Vor etwa dreißig Jahren gab es in den Gymnasien erste Aktivitäten zur Einbeziehung der damals sog. EDV (Elektronische Datenverarbeitung) in den Schulunterricht, welche sich entweder in Arbeitsgemeinschaften oder eingebettet in den Mathematikunterricht entfalteten. Vor etwa zwanzig Jahren begann der Einzug der kurz zuvor entstandenen neuen wissenschaftlichen Disziplin "Informatik" in die Schule, auch hier zunächst in Arbeitsgemeinschaften, dann aber auch als Abiturprüfungsfach. Vor zehn Jahren befanden sich alle (alten) Bundesländer mehr oder weniger aktiv in einer Hochphase curricularer Anstrengungen zur Entwicklung von Konzepten zur sog. "informationstechnischen Grundbildung" oder (teilweise) zur "informations- und kommunikationstechnologischen Bildung". Bei deren umfassendsten Ausprägungen ging es um die Einbeziehung nahezu aller Unterrichtsfächer, und zwar mit dem Ziel einer Thematisierung der sog. "Informationsgesellschaft" mit ihren Bedingungen, Erscheinungen und Folgen, mit den damit verbundenen Chancen und Gefahren.
Wohl verursacht bzw. gefördert durch diese ganzheitlichen, nicht nur fachdidaktisch ausgerichteten, Bildungsplanungen gab es zunehmend Überlegungen, den Zusammenhang von Mathematikunterricht und Allgemeinbildung unter den Bedingungen der IuK-Techniken zu sehen. Zuvor präzisierte bereits 1981 der im Jahre 1978 gegründete Arbeitskreis "Mathematikunterricht und Informatik" in der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik seine Zielsetzung als Untersuchung von
Auswirkungen der Informatik auf den Mathematikunterricht, die erkennbar sind und in Zukunft noch stärker in Erscheinung treten werden. Letzteres gilt unabhängig davon, in welchem Umfang Informatik selbst zum Unterrichtsgegenstand in unseren Schulen wird, da im Mathematikunterricht die methodischen und anwendungsorientierten Aspekte der Informatik gegenüber den inhaltlichen den Vorrang haben.
Seit Beginn dieses Jahrzehnts ist diese Zielsetzung im Sinne der o. g. Allgemeinbildungsaspekte insofern weiterentwickelt worden, als nunmehr der Computer und die Informatik ein Anlaß geworden sind, über grundsätzliche Zielsetzungen des Mathematikunterrichts nachzudenken. Dies geht dann weit über die ursprünglich nur methodische Bedeutung des Computers und informatischer Verfahren für den Mathematikunterricht hinaus.
In diesem Artikel soll nun ein Überblick über den didaktischen Diskussionsstand zu dem Verhältnis von Mathematikunterricht und Informatik gegeben werden. Es wird gefragt, welche Auswirkungen Informatik und Informatikunterricht auf den Mathematikunterricht hatten, und welche Veränderungen in den nächsten Jahren zu erwarten sind. Zum besseren Verständnis der aktuellen Diskussion soll zunächst nochmals an verschiedene offizielle Stellungnahmen der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik zum Verhältnis von Mathematikunterricht und Informatik erinnert werden.
2 Stellungnahmen der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik
Die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) hat immer wieder die Bedeutung der Einbeziehung von Inhalten und Methoden der Informatik in den Mathematikunterricht herausgestellt. So sieht sie in ihrer Stellungnahme von 1981 mit Blick auf die damals erwartete zukünftige Bedeutung der Informatik für den Mathematikunterricht
[...] darin die Zielsetzung des Mathematikunterrichts berührt und erblickt zugleich eine Chance für dessen weitere Entwicklung. Dabei wird eine wesentliche Aufgabe sein, einem rein technischen Verständnis von Computern und einer unreflektierten Anwendung von Fertigkeiten entgegenzuwirken.
Die Aufnahme informatischer Methoden in die Schulmathematik ermöglicht
Und es wurden – bereits mit Blick auf Arbeitsformen und Sichtweisen der Informatik – neue wünschenswerte Aspekte des Mathematikunterrichts aufgezeigt:
Für den Mathematikunterricht im Sekundarbereich I wurde dann empfohlen, daß
[...] zahlreiche informatische Methoden (z. T. in propädeutischer Form) zum Tragen kommen [können]. Soweit bei der Erarbeitung dieser Methoden auch Inhalte der Informatik herangezogen werden, darf es sich dabei nur um eine Einführung handeln, wobei diese nicht isoliert, sondern im Kontext mathematischer Problemstellungen erfolgen muß.
Konkret wurden dann Empfehlungen zu folgenden Gebieten aufgeführt:
Für die Hochschulausbildung der Lehrkräfte wurde gefordert:
Bereits fünf Jahre später veröffentliche die GDM erneut eine Stellungnahme zum Verhältnis von Mathematikunterricht und Informatik, die aber weitaus vorsichtiger als die von 1981 ist, und die viele damalige Empfehlungen relativiert, indem sie auf neue inhaltliche Vorschläge verzichtet und vielmehr auf verschiedenste Probleme im Zusammenhang mit inhaltlichen Veränderungen des Mathematikunterrichts, mit Veränderungen des Lernens, mit fächerübergreifenden Ansätzen und mit Problemen der Lehrerfortbildung hinweist. Die Stellungnahme wurde durch das 1984 von der BLK verabschiedete Rahmenkonzept für die informationstechnische Bildung in Schule und Ausbildung ausgelöst. Daher steht hier auch die informationstechnische Bildung mit ihren Chancen und Problemen (für den Mathematikunterricht!) im Fokus der Betrachtungen.
Gegenüber den Intentionen des BLK-Rahmenkonzepts wird zugleich Offenheit und Distanz signalisiert:
Wir erkennen die positiven Möglichkeiten, die die "Neuen Technologien" in unseren Augen bieten, an und würdigen bereits entwickelte Konzepte und praktische Ansätze zur Realisierung.
Wir müssen heute aber auf verwickelte und tiefliegende Probleme hinweisen, vor die sich allgemein der Unterricht, insbesondere der Mathematikunterricht, in Konzeption und Praxis durch die verschiedenen möglichen Weisen des Umgangs mit dem Computer gestellt sieht, und auf spezielle Probleme, die mit der angestrebten informationstechnischen Bildung für alle Schüler und Jugendlichen gegeben sind.
[...] Aufgrund der engen Verbindung zwischen Mathematik und Informatik sieht sich die Fachdidaktik in der Verantwortung, zur Lösung der [...] Probleme in wissenschaftlich fundierter Weise beizutragen.
Abschließend wird die Forderung aufgestellt:
Die Lehrer sollten den Computer als vielseitiges Werkzeug und Medium authentisch auch selbst kennenlernen und darüber hinaus ein breites Wissen über Nutzen, Grenzen und pädagogischen Wert des Computers erwerben.
Innerhalb der GDM befaßt sich vor allem der Arbeitskreis "Mathematikunterricht und Informatik" entsprechend seiner im Kap. 1 genannten Zielsetzung auf seinen Arbeitstagungen in Wolfenbüttel seit Beginn der 90er Jahre immer wieder mit der Bedeutung der Informatik für den Mathematikunterricht. Die Herbsttagung 1994 war im Untertitel eigens dem Thema "Zur Zielorientierung eines künftigen Mathematikunterrichts unter Berücksichtigung der Informatik" gewidmet. Hier wurde insbesondere herausgestellt, daß einerseits zwar deutlich zu unterscheiden sei zwischen dem Computereinsatz im Mathematikunterricht und den Einflüssen der Informatik auf den Mathematikunterricht, daß aber andererseits mit dem Einsatz des Werkzeuges "Computer" im Unterricht stets auch das Reflektieren über die diesem Gerät zugrundeliegenden Prinzipien verbunden sein müsse, was aber bedeutet, daß es unumgänglich ist, Elemente der Informatik in den Mathematikunterricht aufzunehmen.
3 Informatik und Schule: zur gegenwärtigen Situation
Für den Informatikunterricht wurden in den letzten Jahren die Grundlagen für ein eigenständiges Schulfach geschaffen. So gibt es für den Informatikunterricht
Im Sekundarbereich II ist Informatikunterricht in allen Bundesländern zumindest als Wahlfach möglich, allerdings ist die Attraktivität des Informatikunterrichts derzeit deutlich rückläufig. An vielen Schulen kommen keine Informatikkurse mehr zustande. Die Gründe hierfür sind vielfältig:
Darüber hinaus zeigt sich aber auch, daß viele wichtige Unterrichtsziele des Informatikunterrichts in der unterrichtspraktischen Realität zu einer an leicht überprüfbaren Inhalten ausgerichteten algorithmischen Tätigkeit verkommen. So ist häufig das Erlernen einer Programmiersprache – meist Pascal – weitestgehend als Selbstzweck zu beobachten. Und entgegen den anspruchsvollen Bildungszielen einer informations- und kommunikationstechnologischen Bildung für den Sekundarbereich I wird dort oft nur der "Umgang mit dem Computer" gelernt (in Verbindung mit einer Einführung in Anwenderprogramme für Textverarbeitung, CAD, Tabellenkalkulation und Datenbanksysteme). Die Möglichkeiten, die diese technischen Systeme im Hinblick auf mit ihnen zusammenhängende allgemeinbildende Aspekte eröffnen, kommen dann zu kurz oder bleiben ganz auf der Strecke. In jüngster Zeit zeigt sich diese Gefahr in einer ähnlichen Entwicklung im Rahmen des Projekts "Schulen ans Netz", dessen Zielsetzung sich ja auch nicht darauf reduzieren darf, das Erstellen von "Homepages" in den Mittelpunkt der unterrichtlichen Aktivitäten zu rücken.
1993 gab es einen Vorstoß durch den "Fakultätentag Informatik" dahingehend, Informatik als obligatorisches Schulfach im Sekundarbereich II einzuführen. Ein eigenständiges Fach Informatik im Sekundarbereich I spielt jedoch derzeit in der bildungspolitischen Diskussion keine besondere Rolle. In der Antwort der GDM auf die Schrift des Fakultätentages wird betont,
daß aus dem Bereich Informatik durchaus wesentliche Themen, Gegenstände und Einsichten zu einer zeitgemäßen vertieften Allgemeinbildung gehören, daß aber diese Themen gerade durch ihre Einkapselung in einen einseitig fachlich orientierten Informatikunterricht ihre allgemeinbildende Funktion verlieren.
Es wird weiterhin deutlich herausgestellt, daß "informations- und kommunikationstechnologische Themen und Inhalte" sowohl in alle Fächer der Sekundarbereiche I und II als auch in die Lehrerausbildung zu integrieren sind, daß dafür aber kein obligatorisches Fach Informatik erforderlich ist, sondern daß hierfür der Fächerkanon insgesamt gefordert ist. Dies spricht nicht gegen ein eigenständiges Fach Informatik, weist diesem jedoch eine spezielle, vertiefende Rolle im Rahmen des Allgemeinbildungsauftrags der Schule zu. Die Folgen dieser Konzeption sind, daß sich alle Fächer – und damit und insbesondere auch der Mathematikunterricht – aufgrund des Einflusses der Informatik mit Blick auf eine "technologische Bildung" verändern müssen. Dies ist für den Mathematikunterricht aber kein neues Problem, sondern eine Herausforderung, vor der er schon des öfteren stand.
4 Veränderungen des Mathematikunterrichts vor 100 Jahren
Anstöße zur Veränderung des Mathematikunterricht kamen häufig "von außen". Blicken wir zurück an das Ende des 19. Jahrhunderts und zur Unterrichtsreform des Mathematikunterrichts zu Beginn dieses Jahrhunderts.
Aufbauend auf der Humboldtschen Bildungsreform war es bis zum Ende des 19. Jhts. das Ziel des Mathematikunterrichts an der "höheren Schule", eine "formale Bildung" zu vermitteln, Anwendungsaufgaben beschränkten sich auf das im täglichen Leben benötigte "bürgerliche Rechnen" oder auf "theoriefähige Anwendungen" wie Mechanik oder ebene und sphärische Trigonometrie. Überhaupt hatten Anwendungen und Technik damals noch einen schweren Stand in der Wissenschaft. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Technische Hochschulen gegründet und erhielten das Promotionsrecht. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Schulen. Mit dem Aufkommen der Oberrealschulen in der Mitte des letzten Jahrhunderts wurde der Anwendungsbezug der Schulmathematik verstärkt, aber noch 1882 erlaubte das Abitur einer Oberrealschule nur den Zugang zu einer Technischen Hochschule und nicht zu einer Universität.
Der Wunsch nach einer verstärkten Integration der Naturwissenschaften in den Mathematikunterricht führte 1890/91 zur Gründung des Deutschen Vereins zur Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts, kurz Förderverein genannt (diese Gründung erfolgte zeitgleich mit der Gründung der DMV, der Deutschen Mathematiker-Vereinigung). Bereits auf der Gründungsveranstaltung des Fördervereins gab es kontroverse Diskussionen über die Bedeutung von Anwendungen im Mathematikunterricht. Auf Seiten der Mathematik war Felix Klein die prägende Persönlichkeit, er plädierte vehement für die Integration der Technik in die Mathematik, und er war auch maßgeblich daran beteiligt, daß dann 1898 in der preußischen Lehrerprüfungsordnung für Mathematiklehrer eine "besondere Lehrbefähigung für angewandte Mathematik" im Rahmen der Hochschulausbildung gefordert wurde.
Erhebliche Auswirkungen auf die Inhalte des Mathematikunterrichts hatten dann die Meraner Beschlüsse von 1905, in deren Folge vermehrt Anwendungen in den Mathematikunterricht aufgenommen wurden. Der Anstoß zu dieser "Meraner Unterrichtskommission" kam auf Drängen der Biologen zustande, die die Wiedereinführung des Biologieunterrichts – wohl auch über Stundenanteile der Mathematik – auf der Oberstufe forderten, der nach einem Konflikt um die Darwinsche Entwicklungslehre im Jahr 1882 abgeschafft worden war. Dies zeigt, daß die Naturwissenschaften einen wesentlichen Anteil sowohl an der veränderten Ausbildung von Mathematiklehrern als auch an der Unterrichtsreform des Mathematikunterrichts zu Beginn dieses Jahrhunderts hatten.
Wir sind der Ansicht, daß die heutige Situation an der Jahrtausendschwelle – analog zu der Situation vor hundert Jahren – vor dem Phänomen steht, daß sich alle Schulfächer der gesellschaftlichen Bedeutung der Technik und damit auch speziell der Informatik im Rahmen ihres Allgemeinbildungsauftrags stellen müssen. Dies wurde aber schon des öfteren aufgrund der Einwirkungen der Informatik insbesondere für den Mathematikunterricht gefordert. Dabei wurde auch immer wieder von einer "technologischen Bildung", einer "informations- und kommunikationstechnologischen Bildung" oder einer "informatischen Bildung" im Mathematikunterricht gesprochen.
Wie könnte eine solche Veränderung aussehen? In welcher Weise ist eine solche Veränderung realistisch und durchsetzbar?
5 Veränderungen für einen zukünftigen Mathematikunterricht
Der Computer hat als eine Materialisierung mathematischer Ideen die Entstehung der Informatik als wissenschaftliche Disziplin begründet, und er wirkt nunmehr aufgrund seiner allwärtigen Verfügbarkeit wieder auf die Mathematik und den Mathematikunterricht zurück. In diesem Sinne kann man durchaus von einer Rückwirkung der Informatik auf die Mathematik sprechen, wenn stets mitbedacht wird, daß die Verwendung des Computers als Werkzeug für sich genommen noch keine Anwendung der Informatik darstellt.
Folgende Fragen halten wir in diesem Zusammenhang unter didaktischem Aspekt für grundlegend und bedeutsam:
Wir werden diese Fragen hier nur exemplarisch beantworten können.
5.1 Veränderte Sichtweisen für Begriffe und Verfahren
Im folgenden werden einige Begriffe aufgeführt, die aufgrund der Existenz und des Einflusses der Informatik oder auch allein schon durch die Verfügbarkeit von Computern eine neue Sichtweise erlauben. "Neu" bedeutet dabei aber häufig, daß eine "alte" Sichtweise in einem neuen Licht erscheint. Es muß hier genügen, die zukünftige Bedeutung dieser Begriffe nur in Stichworten kurz anzusprechen; eine ausführliche Darstellung oder gar ein Vorschlag für curriculare Veränderungen würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem übersteigen.
Schon Kommerell hat 1936 die
selbstverständliche Forderung für den mathematischen Unterricht [verlangt], daß bei allen neu eingeführten Funktionen (Wurzeln, Logarithmen, trigonometrische Funktionen) oder Zahlen (
p , e) sofort Methoden angegeben werden, wie diese Funktionen oder Zahlen berechnet werden können.Wenn diese Rechenvorschriften dagegen nicht gegeben sind, "dann sind die Funktionen gar nicht definiert". Die Frage, wie Taschenrechner oder Computer etwa trigonometrische Werte oder transzendente Zahlen näherungsweise berechnen, kann der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Berechnungsalgorithmen sein. Hierzu gehört dann auch das Wissen über "berechenbare Funktionen und Zahlen" und auch darüber, daß es nichtberechenbare Zahlen und Funktionen gibt. Derartige Überlegungen können dann auch zu einer genaueren Analyse von Aufbau und Arbeitsweise von Rechnermodellen und realen Rechnern führen. Dadurch erhält der Begriff der "Berechenbarkeit" einen für Schülerinnen und Schüler unmittelbar zu erlebenden Sinn.
Sowohl bei Schülerinnen und Schülern als auch bei Studentinnen und Studenten ist häufig eine Einengung des Funktionsbegriffs auf reelle, termdefinierbare Funktionen
f: IR ® IR festzustellen (was ja wohl nicht ganz unabhängig von den Lehrenden sein kann!). Darüber hinaus werden dann noch häufig die Argumentvariable regelmäßig mit x und die Funktionswertvariable entsprechend mit y bezeichnet. Diese Mängel wurden bereits bei den Reformbemühungen zum Mathematikunterricht vor 30 Jahren festgestellt. Der Computer bietet nun als Werkzeug die Möglichkeit, eine größere Vielfalt an Darstellungen von Funktionen auch parallel zueinander zu betrachten (Graphen, Tabellen, Pfeildiagramme, Maschinenmodelle), Algorithmen deutlicher als Funktionen herauszustellen (etwa geometrische Konstruktionen, Such- und Sortieralgorithmen), Funktionen mehrerer Veränderlicher stärker einzubeziehen , Funktionen nicht nur zwischen Zahlenmengen zu sehen, sondern zwischen sehr unterschiedlichen Datenmengen, und schließlich funktionale Zusammenhänge in Verbindung mit dem Modulprinzip konstruktiv zu entwickeln, indem Funktionen sukzessive aufgebaut werden. Dadurch können Funktionen deutlicher als eigenständige Objekte erkannt werden, und es wird durch den Computer möglich, mit diesen Objekten auf der Bildschirmoberfläche zu operieren. Dies ist ein Schritt zur Entwicklung eines vertieften strukturellen Verständnisses des Funktionsbegriffs.Die Verwendung von Variablen in einem Anwendungsprogramm erfordert einen erweiterten Variablenbegriff. So gibt es etwa beim TI-92 nicht nur Variablen für Zahlen, sondern z. B. auch für Listen, Daten und Matrizen. Solche Programme können dazu beitragen, einer alten didaktischen Forderung nach einem umfassenderen Variablenbegriff etwas näher zu kommen. Hierzu kann beitragen, daß – etwa bei einem Tabellenkalkulationsprogramm oder einem Computeralgebrasystem – deutlich zwischen dem Variablennamen, der Belegung einer Variablen mit bestimmten Werten und Aussageformen oder Gleichungen zu unterscheiden ist (etwa die Unterscheidung zwischen "
x = 7" und "x := 7" in vielen Programmiersprachen). Das Arbeiten mit einem Softwaresystem kann so zur Aufklärung entsprechender Zusammenhänge beitragen, umgekehrt ist aber auch ein genaueres Wissen über diese Zusammenhänge für das Vermeiden von Fehlern beim Arbeiten mit dem Computer notwendig.Schon seit langem wird für den Mathematikunterricht eine stärkere Betonung experimenteller und heuristischer Methoden (Such- und Probierverfahren, Abzählstrategien, induktive Verfahren) gefordert. Derartige Methoden lassen sich besonders gut bei Problemstellungen aus dem Bereich der diskreten Mathematik wie etwa der Kombinatorik, der Graphentheorie oder der Kryptographie verwirklichen. Diese (mathematischen!) Gebiete haben durch die Informatik an Bedeutung gewonnen, da der Computer hier in vielfacher Weise hilfreich eingesetzt werden kann, etwa beim
Hier wird nun die Doppelfunktion des Rechners besonders deutlich. Zum einen ist er bei der expliziten Darstellung oder dem Ausführen von Algorithmen ein zentrales Hilfsmittel und Werkzeug, zum anderen kann dieser Werkzeugaspekt aber nicht unabhängig von den informatischen Fragestellungen wie Darstellung der Objekte im Rechner, Speicherplatzkapazitäten und Laufzeitverhalten gesehen werden. Der Rechner wird so auch zum Gegenstand der Betrachtungen im Mathematikunterricht.
Wachstumsprozesse oder Vorgänge in dynamischen Systemen beruhen häufig auf iterativ oder rekursiv formulierten Gesetzmäßigkeiten. Computer bieten die Möglichkeit, derartige Prozesse in einfacher Weise numerisch zu berechnen und sie in verschiedensten graphischen Darstellungen wie Phasendiagrammen oder "Spinnweben"-Diagrammen darzustellen.
In österreichischen Lehrplänen und im Lehrplan von Baden-Württemberg (hier in Klasse 10) gehören Dynamische Systeme bereits zum obligatorischen Inhalt. In der Oberstufe können rekursiv definierte Folgen dann vor allem im Zusammenhang mit dem Grenzwertbegriff genügend tragfähige Beispiele darstellen, um die Bedeutung dieser Begriffsbildung entsprechend zur Geltung zu bringen.
5.2 Informatische Inhalte im Mathematikunterricht
Für die Informatik sind "Daten", "Datentypen" oder "Datenstruktur" Begriffe mit zentraler Bedeutung. Im gegenwärtigen Mathematikunterricht werden dagegen strukturelle Eigenschaften mathematischer Objekte wie Zahlen, Abbildungen und Funktionen i. a. nicht (mehr) eigens thematisiert. Die Bedeutung dieser Begriffe in der Informatik mag nun im Mathematikunterricht wieder dazu führen, daß nicht nur strukturelle Eigenschaften von Zahlen und Funktionen stärker betont werden, sondern daß auch Datentypen wie Graphen und Bäume unter strukturellen Gesichtspunkten beurteilt werden. Neben der Möglichkeit der Darstellung oder Visualisierung derartiger Objekte bietet der Rechner auch die Möglichkeit, die Verknüpfungen zwischen Objekten wie Abbildungen, Funktionen oder Matrizen und die auf sie wirkenden Operationen auf der Bildschirmoberfläche explizit auszuführen.
Eine Fehlerquelle beim Aufbau und beim Umgang mit der algebraischen Formelsprache ist darin zu sehen, daß Termumformungen häufig zu einem sinnentleerten Spiel mit Zeichen und Symbolen nach unverstandenen Regeln werden. Hierzu trägt zum einen die bei Schülern oft nicht vorhandene Verbindung von Syntax und Semantik bei, zum anderen spielt aber auch das Fehlen grundlegender Kenntnisse über syntaktische Regeln eine Rolle. Das Vermitteln von Grundkenntnissen über den Aufbau formaler Sprachen könnte die Sprache der Algebra und die bei Computeralgebrasystemen verwendete Sprache besser verständlich erscheinen lassen.
Auch im Mathematikunterricht gehört das Zerlegen in Teilprozesse oder -schritte, das Zusammenfassen von einzelnen Schritten und das Arbeiten mit den entstandenen Prozeduren oder Moduln zum grundlegenden Arbeiten. Während dies im Mathematikunterricht aber stets inhaltsbezogen erfolgt, werden in der Informatik allgemeine Überlegungen zu derartigen Prozeduren zum Gegenstand der Betrachtungen. Ein derartiges Metawissen über prozedurales Arbeiten, also etwa die Kenntnis einer hierarchischen Klassifizierung von Schritten beim Problemlösen oder beim Modellbilden, kann aber auch im Mathematikunterricht insbesondere für den Aufbau heuristischer Strukturen wichtig und hilfreich sein.
Der Einsatz eines jeden Werkzeuges im Unterricht muß stets auch das Einbeziehen und Reflektieren der Grenzen dieses Werkzeuges bedeuten. Grenzen des Computers zu kennen, bedeutet dabei zum einen, hardwarebedingte Grenzen zu kennen, wie etwa numerische Genauigkeit, Graphikauflösung (z. B. der "Stroboskopeffekt") oder Größe des Speicherplatzes, es bedeutet aber auch, zu wissen, bei welchen Problemen bzw. Problemphasen der Einsatz eines Rechners möglich bzw. sinnlos ist; es ist also ein Metawissen über die Einsatzmöglichkeiten des Werkzeugs zu entwickeln.
Es wurde bereits oben herausgestellt, daß sich im Informatikunterricht Arbeitsmethoden wie Partnerarbeit, Gruppen- und Projektunterricht entwickelt haben, die – spätestens seit der Reformbewegung zu Beginn dieses Jahrhunderts – immer wieder für den gesamten Schulunterricht gefordert werden. Der Informatikunterricht kann hier den Anstoß dazu liefern, – wieder einmal – die eingefahrenen (und nicht zuletzt durch TIMSS in die Diskussion geratenen) Unterrichtsmethoden im Mathematikunterricht kritisch zu reflektieren. Viele der im Informatikunterricht bereits praktisch erprobten Projekte können in ähnlicher Weise auch im Mathematikunterricht eingesetzt werden.
Bereits mit der Einführung des Taschenrechners war die Hoffnung verbunden, daß Anwendungen verstärkt in den Mathematikunterricht integriert werden. Diese Hoffnung hat sich sicherlich nur zum Teil erfüllt. Mit dem Computer sind nun höhere Erwartungen verbunden, und dafür gibt es bereits zahlreiche Vorschläge. Indem der Rechner für die Schüler die gelegentlich umfangreicheren kalkülhaften Berechnungen übernimmt, können Aspekte der Modellbildung, wie das Interpretieren der in unterschiedlichen Darstellungen erhaltenen Lösungen und das experimentelle Austesten der Grenzen von Modellen, größere Beachtung finden. Informatische Inhalte spielen dabei insofern im Mathematikunterricht eine Rolle, als es bei diesen Problemstellungen nicht nur um das Aufstellen von Formeln und Algorithmen geht, sondern darüber hinaus um das Darstellen von Algorithmen auf dem Rechner (sei es mit Hilfe eines CAS, eines Tabellenkalkulationsprogramms oder eines geeigneten Simulationsprogramms), um die Aufteilung oder Zerlegung des Modellbildungsprozesses in Teilphasen, das Planen der Wechselbeziehung der einzelnen Module und schließlich um effiziente Berechnungsmethoden.
5.3 Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Informatik
Die bildungstheoretische Diskussion um die "gesellschaftliche Bedeutung" der Informatik und damit der IuK-Techniken führte schon sehr bald zur Hinterfragung des Bildungsauftrags der allgemeinbildenden Schulen. Das Rahmenkonzept für die informationstechnische Bildung in Schule und Ausbildung der BLK von 1984 wurde zwar vielfach nur als Aufforderung zum Einsatz des Computers im Unterricht verstanden, meinte jedoch von Anfang an sehr viel mehr.
Und 1985 griff Wolfgang Klafki diesen Aspekt im Rahmen seiner Analyse von "Allgemeinbildung" innerhalb seiner "Neuen Studien zur Bildungstheorie und Didaktik" auf, indem er ihn in seiner exemplarischen Liste möglicher Schlüsselprobleme wie folgt aufführte:
Gefahren und Möglichkeiten der neuen Informations- und Kommunikationstechniken und -medien.
Schlüsselprobleme bilden gemäß Klafki einen verbindlichen Kern dessen, das alle gemeinsam angeht, und zwar mit dem Ziel, daß jeder einzelne ein "geschichtlich vermitteltes Bewußtsein von zentralen Problemen der Gegenwart und – soweit voraussehbar – der Zukunft" gewinne. Allgemeinbildung zeigt sich für ihn ferner in der "Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts solcher Probleme" und der "Bereitschaft, an ihrer Bewältigung mitzuwirken".
Folgt man dieser Auffassung, so wäre es für unsere Schülerinnen und Schüler wichtig, die IuK-Techniken, zu denen auch das Internet gehört, nicht nur unter mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Aspekten und anwendend kennenzulernen, sondern auch zu erfahren, wie sie diese Techniken verantwortungsbewußt mitgestalten können und sollten. Bußmann und Heymann schrieben hierzu 1987:
Ignoriert die allgemeinbildende Schule den Computer als verändernden Faktor der gesellschaftlichen Wirklichkeit [...], so zieht sie sich zu Recht den Vorwurf der Weltfremdheit zu. Unter dem Anspruch, Orientierungswissen über die gegenwärtigen Lebensbedingungen zu vermitteln, ist es unerläßlich, die Rolle des Computers in unterschiedlichen Berufsfeldern, Freizeitbereichen, politischen Zusammenhängen (Datenschutz, Wahl- und Wirtschaftsprognosen, Militärwesen, zivile Verwaltung) zu thematisieren. Dies braucht nicht in neu zu etablierenden Fächern zu geschehen; im Rahmen des traditionellen Fächerkanons könnten sich z. B. Politik oder Arbeitslehre dieser Aufgaben annehmen. Wird der Computer aber allein als verändernder Faktor der gegenwärtigen Lebensbedingungen behandelt, so kann eine Abspaltung zwischen dem Wissen um diese seine Funktion einerseits und dem alltäglich mit ihm praktizierten Umgang [...] andererseits eintreten [...]. Deshalb sollte der Computer auch als symbolverarbeitende Universalmaschine zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden [...]. Dabei kann es aber [...] nicht primär darum gehen, den Computer technisch zu verstehen. Mit dem gleichen Recht könnten sonst Gebrauchsobjekte wie Fernseher, Kraftfahrzeuge, Telefon – unter Hinweis auf ihren Einfluß und ihre Verbreitung – unter technischem Aspekt im Unterricht thematisiert werden. [...] Erst die Einsicht in die dem Computer mögliche Perfektionierung bei der Akkumulation von harmlosen Einzelinformationen zu brisanten Dossiers stellt für die Betroffenen eine Voraussetzung dar, durch zielstrebiges Handeln etwa die Löschung personenbezogener Daten zu betreiben und schließlich durchzusetzen.
Festzuhalten ist, daß hier jeweils Bildungsaufgaben an die Schule herangetragen werden, die sich nicht primär aus dem tradierten Selbstverständnis der einzelnen Unterrichtsfächer ergeben, sondern ihre Begründung in der Bedeutung der IuK-Techniken für das Individuum und die Gesellschaft finden, also in der sog. "gesellschaftlichen Bedeutung der Informatik". Dies ist die Grundlage für die informationstechnische (Grund-)Bildung bzw. informations- und kommunikationstechnologischen Bildung, wobei seit einiger Zeit auch umfassender "informatische Bildung" vorgeschlagen wird, denn:
Erst mit dem Begriff der "informatischen Bildung" wurde eine didaktische Diskussion eröffnet [...], in der der Versuch gemacht wird, das Unterrichtsfach Informatik, die informationstechnische Grundbildung und die medialen Aspekte des Computereinsatzes als Ganzes zu sehen.
Dieser Bildungsaspekt betrifft Schule als Ganzes, damit im Prinzip alle Fächer in spezifischer Weise und also auch den Mathematikunterricht. Aber wie?
Der Hinweis auf die "medialen Aspekte" in obigem Zitat hilft uns hierbei weiter: Seit Anfang der 90er Jahre werden sowohl in der Erziehungswissenschaft als auch in der Bildungspolitik die Bemühungen um Konzepte zur Berücksichtigung der IuK-Techniken im Bildungskanon der Schule verstärkt unter Aspekten der Medienpädagogik gesehen – eine Sichtweise, die in den 80er Jahren noch eher marginal war. Zur Medienpädagogik gehören in unserem Kontext die Teilbereiche Mediendidaktik, Medienkunde und Medienerziehung. Dies sei sogleich für den Mathematikunterricht beispielhaft konkretisiert:
Die Mediendidaktik befaßt sich mit den Funktionen und Wirkungen von Medien in Lehr- und Lernprozessen. Mathematikdidaktische Konzepte, die sich auf IuK-Techniken beziehen, betreffen meist die Mediendidaktik, indem nämlich Vorschläge zum Computereinsatz im Mathematikunterricht entwickelt werden und dieser Einsatz mit seinen Folgen für das Lehren und Lernen hypothetisch analysiert und empirisch evaluiert wird. Die Rolle der Informatik ist dann also auf die eines Lieferanten neuartiger unterrichtsmethodischer Werkzeuge reduziert. Hypertext und das Internet werden hier künftig weitere wichtige Gegenstandsbereiche der mediendidaktischen Forschung sein, und zwar nicht nur im Mathematikunterricht.
Bei der Medienkunde geht es um die Vermittlung von Kenntnissen über Medien (z. B. Technik, Anwendung, Produktion, individuelle, gruppenspezifische, gesellschaftliche Rahmenbedingungen) – mithin liegt hier ein anderer Bildungsaspekt der IuK-Techniken vor! Wenn etwa im Mathematikunterricht ein Beitrag zur Aufklärung der Funktionsweise eines Computers geleistet wird, indem binäre Darstellungen als wichtiges Mittel der Digitalisierung bis hin zu Problemen der Pixelgraphik untersucht werden, dann ist dies ein Aspekt der Medienkunde, und es wird deutlich, daß der Mathematikunterricht auch in diesem Feld Beiträge leisten kann.
Die Medienerziehung verfolgt auf der mikrosozialen Ebene das Hauptziel, Menschen, insbesondere Heranwachsende, zu einem bewußten, reflektierten, kritischen, d. h. sozialerwünschten Umgang mit Medien anzuleiten und auf diesem Weg zu begleiten. Wenn der Mathematikunterricht auch einen Beitrag zur Medienerziehung leisten soll, so muß durch ihn in geeigneter Weise behandelt werden, welche Folgen im Sinne von Chancen bzw. Gefahren der Umgang mit diesen neuen Medien sowohl unmittelbar für den Einzelnen als auch unmittelbar oder mittelbar für die Gesellschaft (einschließlich nachfolgender Generationen) mit sich bringt. Es geht hier also auch um menschenwürdige Technikgestaltung. Da Modellbildung und Simulation in immer stärkerer Weise zur Planung und Gestaltung unseres Alltags und unserer Zukunft verwendet werden und solche Verfahren sowohl mit Hilfe der Mathematik als auch der Informatik realisiert werden, wird deutlich, daß der Mathematikunterricht einen erheblichen Beitrag zur Medienerziehung leisten kann, indem Modelle nicht nur aufgestellt und "durchgerechnet" werden, sondern auch die Konsequenzen solcher Modellierungen und Simulationen für die Lebensgestaltung mit in den Blick genommen werden. Zugespitzt: Ethische Fragen dürfen von den Sachfragen nicht abgekoppelt und in einen "Ethik-Unterricht" verwiesen werden, sondern sie sind bereits dort aufzugreifen, wo sie in ihrer "nur" technischen Dimension auftreten. Somit gehören auch manche Umweltthemen unter medienerzieherischen Aspekten in die Schule und auch in den Mathematikunterricht.
Alle drei Aspekte der Medienpädagogik – nämlich: Mediendidaktik, Medienkunde und Medienerziehung – sollten nicht losgelöst voneinander im Unterricht zum Tragen kommen. Eine so verstandene Medienpädagogik kann bei Bezug auf die IuK-Techniken wegen der Komplexität des Gegenstandes nicht von einem Unterrichtsfach allein übernommen werden, auch nicht von dem Fach Informatik – vielmehr sind im Prinzip alle Unterrichtsfächer mit je spezifischen Ansätzen gefordert. Das BLK-Rahmenkonzept ist damit eigentlich einer Medienpädagogik verpflichtet, und dies macht verständlich, weshalb in den letzten Jahren auch von der BLK große Anstrengungen zur Weiterentwicklung medienpädagogischer Konzepte unternommen werden! Im Einklang mit solchen Konzepten wären dann auch Bildungsaufgaben und -ziele für den Mathematikunterricht zu formulieren.
6 Schlußbemerkung
Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, daß allein die Integration eines neuen Werkzeugs in den Unterricht weder die Unterrichtsmethoden verändert noch die angestrebten Ziele besser erreichen läßt. Es kommt vielmehr darauf an, daß die Unterrichtenden Aufbau und Grenzen des neuen Werkzeugs kennenlernen, daß sie ein fundiertes Wissen über den problemadäquaten Einsatz erwerben und daß sie die Verwendung des Werkzeugs im Hinblick auf das Erreichen der Ziele des Mathematikunterrichts richtig einzuordnen wissen. Hierfür stellt die Informatik eine zentrale Bezugswissenschaft für den Mathematikunterricht dar. Dieser wird und muß sich in den nächsten Jahren ändern, wenn er seinem Anspruch auf Allgemeinbildung in einem technologischen Zeitalter gerecht werden will. Zu diesem Allgemeinbildungsanspruch gehört dann im Rahmen einer informatischen Bildung oder gar einer technologischen Bildung nicht nur die Verwendung solcher Werkzeuge im mediendidaktischen Sinn, sondern auch deren Entschlüsselung im medienkundlichen Sinn und die kritische Reflexion ihrer Verwendungszusammenhänge im medienerzieherischen Sinn, wobei für die Bereiche Medienkunde und insbesondere Medienerziehung noch weitere konkrete Vorschläge zu entwickeln sind.
7 Literatur
Baumann, Rüdeger [1988 a]: Schulcomputerjahrbuch 1988/89. Stuttgart: Metzler/Teubner.
Baumann, Rüdeger [1988 b]: Neue Informationstechnologien und Mathematikunterricht. In: Journal für Mathematikdidaktik, 9(1988)4, 327–334.
Baumann, Rüdeger [1996]: Didaktik der Informatik. Stuttgart: Klett (2. Auflage).
Bußmann, Hans & Heymann, Hans-Werner [1987]: Computer und Allgemeinbildung. In: Neue Sammlung, 27(1987), 2–39.
Cohors-Fresenborg, Elmar et al. [1995]: Funktionenlehre Klasse 10. Osnabrück.
Evangelische Akademie Loccum (Hrsg.) [1994]: Neue Technologien und Schule. Loccumer Protokolle 23/1983. Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum und des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 14. bis 16. Oktober 1983.
Henn, Hans-Wolfgang [1997]: Modellbilden im Mathematikunterricht. Themenheft Der Mathematikunterricht, 43(1997)5.
Herget, Wilfried (Hrsg.) [1990]: Mathematik, Computer und Allgemeinbildung. TU Clausthal, Mathematik-Bericht 90/3 (Tagungsband über die 9. Arbeitstagung des Arbeitskreises "Mathematikunterricht und Informatik" vom 6. bis 8.10.1989 in Wolfenbüttel).
Hischer, Horst [1988]: Allgemeinbildende Schulen und neue Informationstechnologien. In: Erziehungswissenschaft und Beruf, 8. Sonderheft 1988, S. 50–57. Nachdruck in [Baumann 1988, S. 39–47].
— [1991]: Neue Technologien als Anlaß einer erneuten Standortbestimmung für den Mathematikunterricht. In: mathematica didactica, 14(1991)1/2, 3–24.
— (Hrsg.) [1992]: Mathematikunterricht im Umbruch? – Erörterungen zur möglichen "Trivialisierung" von mathematischen Gebieten durch Hardware und Software. Bericht über die 9. Arbeitstagung des Arbeitskreises "Mathematikunterricht und Informatik" in der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik e. V. vom 27. bis 29. September 1991 in Wolfenbüttel. 155 Seiten. Hildesheim: Franzbecker.
— [1993]: Wieviel Termumformung braucht der Mensch? – Fragen zu Zielen und Inhalten eines künftigen Mathematikunterrichts angesichts der Verfügbarkeit informatischer Methoden. Bericht über die 10. Arbeitstagung des Arbeitskreises "Mathematikunterricht und Informatik" in der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik e. V. vom 25. bis 27. September 1992 in Wolfenbüttel. Hildesheim: Franzbecker.
— [1994 a]: Mathematikunterricht und Computer – neue Ziele oder neue Wege zu alten Zielen? Bericht über die 11. Arbeitstagung des Arbeitskreises "Mathematikunterricht und Informatik" in der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik e. V. vom 8. bis 10. Oktober 1993 in Wolfenbüttel. Hildesheim: Franzbecker.
— [1994 b]: Mathematikunterricht und Computer – Ein Überblick. In: Mathematik in der Schule, 32(1994)6, S. 321–332.
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